Hufrehe – nein, nicht immer ist das Gras schuld…

Ergänzend zu unserer letzten Warnung zum Thema akuter Hufrehegefahr in Zusammenhang mit dem frischen Gras ist natürlich zu ergänzen, dass wir wie jedes Jahr um diese Zeit auch viele Hufrehefälle haben, die nicht auf die Wiese gehen.

Das ist nichts Neues und passiert in den sieben Jahren, seitdem ich aktiv rund um die Hufrehe berate, jedes Jahr so. Die Auslöser für eine Hufrehe sind extrem vielfältig. Nicht immer hängt sie mit der Fütterung zusammen. Nicht jedes Rehepferd ist fett und nicht bei jeder Hufrehe hilft eine Diät. Trotzdem gibt es einige Gründe, warum gerade jetzt die Zahl der Hufrehefälle wieder ansteigt.

  • Stoffwechselüberlastung: In vielen Fällen stelle ich in der Beratung mit dem Besitzer gemeinsam fest, dass die Anzeichen für Probleme im Entgiftungsstoffwechsel schon länger da sind. Es waren die kleinen Hinweise, die sich immer mal wieder zeigten, die aber nicht richtig zugeordnet werden konnten. Dann gibt es irgendwann den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Und das kann aktuell schon alleine der Fellwechsel sein.
    Nein, der Fellwechsel selbst löst keine Hufrehe aus. Aber wenn dein Pferd vorbelastet ist und dann eine vermehrte Belastung durch den Fellwechsel hat, dann kann das in Summe in einem Reheschub enden.
  • Zuckerheu: In den letzten Jahren hat sich das Thema Zucker im Heu dramatisch entwickelt. Es scheint immer schwerer zu werden ein Heu mit für Pferden tolerablen Werten herzustellen oder einzukaufen. Eine chargenreine Analyse ist inzwischen die beste Gesundheitsvorsorge. Denn nur weil das Heu spät gemäht ist oder von Bio-Wiesen kommt, ist das noch lange keine Garantie, dass es zuckerarm ist. Aber warum kommt es dann jetzt zur Rehe, wenn die Pferde doch den ganzen Winter das Futter bekommen haben? Das ist recht einfach. Der Körper schafft es fast immer so etwas eine ganze Zeit lang zu kompensieren. Er behilft sich mit Einlagerungen, entlastet sich selbst über die sekundären Entgiftungsorgane und füllt seine Speicher bis zum Maximum. Dazu wird im Winter einfach auch mehr Energie für das warm halten des Körpers verbraucht. Aber irgendwann kommt der Punkt, da klappen diese Entlastungen nicht mehr und ein akuter Reheschub ist die Folge. In der Hälfte der Fälle können wir mit einer Heuanalyse als vermutliche Ursache ein Heu mit Zuckergehalt von 15% Gesamtzucker (plus Fruktan) und mehr feststellen.
  • Saftfutter: Ja, es wird immer noch in so vielen Zeitschriften, Beiträgen und nicht zuletzt allen „Fachbüchern“ der FN empfohlen. Pferde benötigen im Winter Saftfutter, damit sie ausreichend Vitamine zu sich nehmen können. Welch ein riesiger Schmarn das ist, dem widme ich noch einen eigenen Beitrag. Trotzdem freuen sich die Futtermittelhändler der Gegend wenn sie in die Pferdeställe wöchentlich frisch Säcke voll Möhren und rote Beete liefern dürfen. Dieses Saftfutter ist extrem pektinreich und hat in der gesunden Darmflora eines Pferdes in diesen Mengen und dauerhaft nichts verloren. Denn in der Natur würde kein Pferd diese Mengen an Saftfutter finden. Pektin wird von Mikroorganismen verdaut, die sich in einem sauren Milieu (PH-Wert um 5) wohl fühlen. Sind sie wie in einer natürlichen Fütterung nur spärlich vorhanden, ist das kein Problem. Füttern wir diese Mikroorganismen aber den ganzen Winter schön reichhaltig, so vermehren sie sich und sorgen für eine Übersäuerung im Darm. Andere wertvolle Mikroorgansimen können Absterben, Darmschleimhäute werden gereizt und können ihrer Funktion nur noch eingeschränkt nachkommen. Das Ergebnis, ihr habt es euch bestimmt gedacht, kann ein akuter Hufreheschub sein.
  • Mykotoxine: Neben dem Problem mit zuckerhaltigem Heu sorgen die feuchten und recht warmen Winter für immer mehr Probleme mit der Heulagerung. Selbst wenn das Heu noch mit nur einer geringen Belastung mit feldtypischen Pilzen eingefahren wurde, so ist der Lagerungsschimmel inzwischen ein heißes Thema. Und nein, lasst euch nicht erzählen ihr seht das schon, wenn das Heu schimmelt. Wenn es so weit ist, dann ist es zu spät. Wenn ihr beim Aufschütteln tatsächlich in einer weißen Staubwolke steht, dann solltet auch ihr das Weite suchen. Aber zurück zum Thema: Schimmelpilze bilden Mykotoxine, also Pilzgifte. Diese belasten den Stoffwechsel eures Pferdes. Und neben Problemen mit den Atemwegen kann eine Schimmelpilzbelastung im Heu auch zu einer akuten Hufrehe führen, besonders dann, wenn dann vielleicht auch noch eine zusätzliche Belastung durch Fellwechsel, Wurmkur, Impfung und Co dazu kommt. Natürlich kann dieser Auslöser auch in belastetem Stroh liegen. Goldgelbes Stroh ohne Schimmelpilzbelastung war im letzten Jahr eher die Ausnahme.  Auch hier hilft eine Analyse des Raufutters, um diese Ursache festzustellen.
  • Fruktan: Alle haben sicherlich das Fruktanmärchen inzwischen gelesen und es gibt sie doch, die Zusammenhänge zwischen fruktanreicher Fütterung und Hufrehe. Und leider ist auch das Thema Fruktan im Heu in den letzten Jahren deutlich extremer geworden. Während sich der Gesamtzucker bei dem betroffenen Heu dann noch im Rahmen bewegt, sind wir mit Frukatnwerten um die 10 % konfrontiert. 5 % ist eigentlich so das Maximum, was wir uns wünschen. Auch für die Verdauung von Fruktane gibt es im Darm Spezialisten. Neben verschiedenen Bifidobakterien ist das vor allem der Keim Streptococcus Bovis. Deser Keim zum einen bei der Umwandlung der Frukate Bakteriozine, die andere nützliche Mikroorganismen schädigen können.  Außerdem produziert er ein Enzym, die Metalloproteinase, welches direkt in den Eiweißstoffwechsel eingreift. In verschiedenen Untersuchungen konnte diesem Enzym eine wichtige Schlüsselrolle als Hufreheauslöser zugesprochen werden.
  • Hefen: Neben der Belastung mit Schimmelpilzen freuen sich über das immer zuckerreichere Heu auch die Hefepilze und wachsen zahlreich. Während aber zahlreich vor den Gefahren einer Bierhefe gewarnt wird, die ja tot ist und sich im Darm nicht mehr vermehren kann, interessiert sich gefühlt niemand dafür, wenn man über das Heu konstant lebende Hefepilze ins Pferd füttert. Klar, ein Teil überlebt zum Glück die Magensäure nicht. Aber trotzdem siedeln sich auf Dauer die Hefepilze im Darm an und können dort zu Dysbiosen führen. Da Hefen Gasbildner sind, zeigen sich meist erst leichtere Probleme wie ein leichter Blähbauch, vermehrte Blähungen oder auch Anzeichen von Bauchschmerzen. Auf Dauer kann aber so eine Ansiedelung auch dazu führen, dass der Stoffwechsel eures Pferdes komplett entgleist und auch hier das Ergebnis ein akuter Reheschub sein kann.

Für all diese Faktoren gilt, dass sie nicht von jetzt auf gleich eine Hufrehe auslösen. Und es ist auch keine Zwangsfolge – also nicht alle Pferde die Saftfutter bekommen werden in einer Hufrehe enden. Uns war aber wichtig darauf hinzuweisen, dass es diverse Faktoren (auch das hier ist ja nur eine kleine Auswahl) gibt, die zu einer Häufung von Hufrehe im Frühjahr führen können. Und dass ein im Frühjahr auftretender Reheschub seine Ursache nicht im schon den ganzen Winter gefütterten Heu haben muss. Und nur weil ein Pferd nicht dick ist, heißt auch das nicht automatisch, dass das Futter nicht die Ursache ist.

Die wichtigste Gesundheitsvorsorge ist dabei immer ein gut geschultes Auge des Besitzers, der Veränderungen und Anzeichen frühzeitig erkennt und eine Heuanalyse, damit ihr wisst, was ihr da in euer Pferd füttert!

Wer sein Auge schulen möchte, hier findet ihr unseren Beitrag zum Thema Stoffwechselfrühmarker: https://beitrage.natuerliche-pferdefuetterung.de/2021/11/05/stoffwechselfruehmarker/

Wer mehr über die Stoffwechselzusammenhänge im Pferd lernen möchte, dem legen wir unseren Videokurs „Schluss mit Stoffwechsel“ ans Herz:

https://natuerliche-pferdefuetterung.apprex.net/courses/schluss-mit-stoffwechsel