Was ist was und wwas gehört ins Pferd?
In den letzten Monaten beobachte ich immer mehr, dass ein wahrer Schlankheitswahn bei Pferden eintritt. Das, was bei den Menschen schon wieder abebbt, das scheint nun bei den Pferden anzukommen. Grundsätzlich kann so manches Pony garantier gut von Luft und Liebe leben. Aber immer mehr sehe ich auch Pferde, die Leistung erbringen sollen und von denen man ein gutes Muskelwachstum erwartet, gleichzeitig mit rationiertem Heu und Mineralfutter klarkommen sollen. Deswegen möchte ich das mal zum Anlass nehmen über die verschiedenen Formen von Energie und ihre Relevanz in der Pferdefütterung zu sprechen und euch ein paar Einschätzungen zu geben, was ist wichtig und was gefährlich.
Sehr groß ist meist die Angst vor Eiweiß. Aber Eiweiße sind Proteine und Proteine sind die Baustoffe unseres Körpers. Sie werden für die stetigen Aufbauprozesse im Körper benötigt. Denn nicht nur im Wachstum, sondern auch als erwachsene Pferde baut sich im Körper ständig etwas ab oder um und somit müssen Baustoffe für die Erneuerung oder die Umstrukturierung zur Verfügung stehen. Als ungefährlich hingegen wird dagegen gerne Getreide als Kraftfutter eingestuft. Dabei machen diese stärkehaltigen Kraftfutterarten meist größere Probleme als proteinreiche Kraftfutter.
Aus diesem Grund möchte ich in dieser zweiteiligen Serie mal mit einigen Vorurteilen aufräumen und versuchen etwas Hintergrundwissen zu schaffen.
Proteine und wie sie ins Pferd kommen
Proteine sind recht große chemische Verbindungen und zählen zu den Makronährstoffen. Sie sind zusammengesetzt aus Aminosäuren, welche im Körper wiederum in neue Verbindungen zusammengesetzt werden können. Im Pferdekörper gibt es 21 Aminosäuren. Aus diesen 21 Grundsteinen kann jede Form von Gewebe und Körperbestandteilen zusammengesetzt werden. Einen großen Teil der Aminosäuren kann der Pferdekörper selbst herstellen, ein anderer Teil, die essenziellen Aminosäuren, müssen über die Nahrung aufgenommen werden. Für die eigene Bildung von Aminosäuren benötigt das Pferd Kohlehydrate, ihr seht also die beiden Themen sind nicht losgelöst voneinander zu betrachten 😉
Ein Vorteil der Pferde ist, dass sie auch einen Teil der essenziellen Aminosäuren aus ihrer Darmflora gewinnen können. Die dort angesiedelten Mikroorganismen bilden im Rahmen der mikrobiellen Verdauung Aminosäuren. Es ist aber noch unklar, inwiefern diese dem Pferdekörper zur Verfügung stehen. Auch bei den Aminosäuren gilt wieder das Gesetz des Minimums, also wenn eine Aminosäure nicht ausreichend vorliegt, dann können die Bauprozesse im Körper ins Stocken kommen. Deswegen ist es wenig sinnvoll einzelne Aminosäuren zuzufüttern. Es ist besser auf einen ausgewogenen Mix der essenziellen Aminosäuren zu achten.
Definitiv über die Fütterung aufgenommen werden müssen die Aminosäuren Lysin, Methionin und Threonin. Besonders bei laktierenden Stuten und Pferden im Wachstum muss daher immer eine ausreichende Versorgung mit diesen Aminosäuren über eine proteinreiches Zusatzfutter sichergestellt werden. Aber auch bei ausgewachsenen Pferden ist diese Versorgung relevant für gesundes Hufhorn, glänzendes Fell, gesunde Zellteilung und eine ausgeglichenes Hormonsystem. Häufig wird immer nur auf die Mineralstoffversorgung geschaut, wenn es Mangelerscheinungen gibt. Aber ein Mangel an Proteinen kann ebenso zu Symptomen führen.
Bedarf und Versorgung
Die wichtigste und meist absolut ausreichende Quelle des Pferdes für Proteine ist das Heu. Je nach Graszusammensetzung, Erntezeitpunkt, Düngung, Wasserversorgung und mehr ist Heu mal mehr oder weniger proteinreich. Um eine Einschätzung zu bekommen, wie viel des Bedarfs bereits über das Grundfutter abgedeckt ist, macht eine Heuanalyse absolut Sinn.
Für gesunde Pferde mit normaler Arbeit und keinem erhöhten Bedarf ist bei einem Heu mit mittleren Proteingehalt die Versorgung mit Proteinen ausreichend sichergestellt. Sollte euer Pferd aber nur begrenzt Zugang zu Heu haben (weniger als 2kg pro 100 kg Körpergewicht), dann kann es bei proteinarmem Heu auch dann schon notwendig sein zu ergänzen.
Einen Mehrbedarf haben vor allem laktierende Stuten, Pferde im Wachstum und ältere Pferde. Bei Senioren wird im Bereich Proteine tatsächlich von einem Mehrbedarf von bis zu 35% ausgegangen.
Aber auch wenn euer Pferd sich in der Aufbauarbeit im Bereich Muskulatur befindet, sollte auf eine ausreichende Proteinversorgung Acht gegeben werden. Denn Muskelaufbau benötigt Aminosäuren, genauso wie der Erhalt.
Proteinreiche Zusatzfutter sind Luzerne, Mais, Leinsamen, Sonnenblumenkerne und Algen (Spirulina, Blasentang).
Eiweißüberschuss aus dem Gras
Entgegen der langläufigen Meinung enthält frisches Gras in der Trockensubstanz nicht deutlich mehr Eiweiß als Heu. Die Proteine werden in der Trocknung kaum abgebaut. Beim Heu bewegen wir uns zwischen 8-12 Prozent, im Gras bei 9-15 Prozent.
Warum aber wird dann immer so viel Angst vor einer Eiweißüberversorgung auf Wiesen gemacht? Das ist recht simpel zu erklären: Pferde stillen ihren Hunger über Rohfaser. Während Heu im Schnitt einen Rohfaseranteil von 25-40 % haben kann, liegt Gras frisch im Aufwuchs nur bei 3-6 Prozent. Hoch aufgewachsenes Gras mit viel Stängelanteil erreicht gerade mal 10%. Das heißt Pferde fressen vom Gras deutlich mehr, als vom Heu um ihren Rohfaserbedarf zu sättigen, ungeachtet der aufgenommenen Menge an Eiweiß. Deswegen ist auch bei dauerhaft Wiese das Angebot von Heu oder Futterstroh eine Möglichkeit die Eiweißaufnahme zu senken.
Über- oder Unterversorgung
In Studien hat sich gezeigt, dass Pferde gegenüber einer Proteinüberversorgung eine sehr große Toleranz haben. Bis zu 50 % Überschuss konnten die Forscher keine negativen Auswirkungen im Pferdeorganismus feststellen. Das ist auch deswegen gut zu wissen, weil Proteine nicht gut gespeichert werden können. In Zeiten von Unterversorgungen können Pferde also nicht groß auf Reserven zurückgreifen und beginnen daher meistens recht schnell mit einem Muskelabbau, um die wichtigeren Funktionen im Körper weiterversorgen zu können.
Allerdings ist es trotzdem nicht sinnvoll ein Pferd auf „gut Glück“ mit Proteinen überzuversorgen. Das zeigt sich besonders häufig bei Pferden mit PSSM 2. Hier lautet die allgemeine Empfehlung auf eine proteinreiche Versorgung zu achten. Gerne wird dann einfach die Proteinzufuhr deutlich erhöht, ungeachtet der aktuell bereits vorliegenden Versorgung.
Denn Aminosäuren sind chemisch betrachtet Verbindungen aus Sauerstoff, Wasserstoff, Kohlenstoff und Stickstoff. Manche enthalten zusätzlich Schwefel. Wenn diese Aminosäuren umgebaut oder verbraucht werden, bleibt aus diesen Stoffwechselprozessen der Stickstoff übrig. Stickstoff kann im Pferdekörper nicht weiterverwendet werden und muss als zunächst in der Leber in der Biotransformation umgebaut um das als harnpflichtiges Toxin über die Nieren als Harnstoff ausgeschieden zu werden. Diese Prozesse verbrauchen Spurenelemente (besonders Mangan) und können und Leber und Nieren bei einer deutlichen Überversorgung massiv belasten.
Wenn wir dann bedenken, dass PSSM 2 Pferde meistens generell schon mit einer Überlastung im Stoffwechsel zu kämpfen haben, dann kann dies zu einer Stoffwechselentgleisung und statt einer Verbesserung sogar noch zu einer Verschlechterung der Symptome führen.
Eine Eiweißunterversorgung könnt ihr an einem fehlenden Muskelaufbau oder sogar einem Muskelabbau erkennen oder bei Fohlen und Jungpferden an Wachstumsdefiziten.
Auge + Rechner
Um eine gute Versorgung eures Pferdes sicherzustellen, solltet ihr eure visuelle Einschätzung (das klinische Bild) mit einer Rationsberechnung kombinieren. Diese Rationsberechnung macht in meinen Augen aber nur Sinn, wenn ihr eine Heuanalyse vorliegen habt. Rechnet man mit den Mittelwerten kann das Ergebnis aufgrund der starken Schwankungen im Heu nach oben oder nach unten deutlich verfälscht sein. Als Beispiel: In diesem Jahr habe ich von meine Heulieferanten von zwei verschiedenen Wiesen Heu. Düngung, Schnittzeitpunkt, Ernte und Lagerung sind bei beiden Heusorten identisch. Eine Wiese bringt einen Rohfasergehalt von 28,4 % mit sich, die andere dagegen 36,1 %. Bei einer Heumenge von 12 kg, die meine Pferde in etwa fressen, habe ich also einen massiven Unterschied in der Menge an Proteinen, die das Pferd zu sich nimmt.
Bedarfswerte für verschiedene Leistungs- und Pferdetypen nach Gewicht findet ihr in verschiedenen Pferdebüchern, wie zum Beispiel dem „Praxishandbuch Pferdefütterung“. Grob kalkuliert werden kann aber mit 1 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Lebendgewicht. Ein Pferd mit 600 kg benötigt also etwa 600 Gramm Eiweiß. Bei erhöhtem Bedarf könnt ihr mit 1,5-2 Gramm rechnen. Bei Hufrehepferden würde ich mit 0,5-0,75 Gramm rechnen.
Wenn ihr keine Heuanalyse habt, dann müsst ihr euch auf euer Auge verlassen. Wie schaut euer Pferd insgesamt aus, ist die Muskulatur für den Trainingszustand in Ordnung, oder baut es da nicht richtig auf? Hat es trotz gleichbleibenden Trainings an Muskelmasse verloren? Wie sehen das Hufwachstum und das Fell aus? Anhand dieser Fragen könnt ihr einschätzen, ob eurem Pferd eventuell ein proteinreiches Zusatzfutter guttun könnte.
Die Kohlehydrate
Zunächst sind Kohlehydrate die Energiewährung des Körpers. Sie sind der Kraftstoff, mit der die Körperprozesse wie Atmung, Herzschlag, Muskelarbeit und mehr angetrieben werden. Sie können verhältnismäßig gut gespeichert werden.
Außerdem werden sie für die Bildung verschiedener Bausteine für den Bewegungsapparat benötigt, wie Hyaluronsäure und Chrondroitinsulfat. Und sie sind maßgeblich im Umbau von Fetten und nicht essenziellen Aminosäuren beteiligt.
Es ist also hier schon klar, dass es auch ohne Kohlehydrate nicht in der Pferdefütterung geht. Stattdessen stellt sich die Frage, welche Form von Kohlehydraten und wo die Vorteile der verschiedenen Varianten sind.
Artenvielfalt
Kohlehydrate sind im Alltag in vielen Futtermitteln zu finden. Sie werden unterteilt in den Bereich der Monosaccharide (Fruchtzucker, Traubenzucker), Disaccharide (Maltose, Lactulose, Haushaltszucker) und Polysaccharide (Inulin, Fruktan, Glykogen, Stärke). Bis hierhin handelt es sich alles um Nicht-Struktur Kohlehydrate. Ebenfalls zu den Polysacchariden zählen die Struktur-Kohlehydrate wie Cellulose, Hemicellulose und Lignin.
Ja, Kohlehydrate sind immer Saccharide, also verschiedene Formen von Zucker. Je langkettiger und komplexer sie sind, desto schwieriger sind sie aufzuschließen. Die Struktur-Kohlehydrate werden auch als Rohfaser bezeichnet. Schauen wir uns einmal an, was die verschiedenen Formen für die Pferde bedeuten:
Monosaccharide: Mit dieser Form werden Pferde in der Natur hauptsächlich als Fruchtzucker konfrontiert in Früchten. In heutigen Futtermitteln wird Traubenzucker gerne als Trägerstoff und Leckermacher eingesetzt oder als Energiebooster in Elektrolytlösungen. Da der Pferdekörper alle Formen von Kohlehydraten zum Transport in Einfachzucker aufspaltet, muss diese Form des Zuckers nicht mehr verdaut werden und kann direkt über die Dünndarmwand resorbiert werden. Diese Energiequelle steht also sofort zur Verfügung. Sie hat aber auch einen direkten Einfluss auf den Blutzuckerspiegel und lässt diesen direkt ansteigen, sodass die Bauchspeicheldrüse veranlasst wird Insulin auszuschütten und den Transport des Zuckers in die Zellen so zu gewährleisten. Einfachzucker sollten daher bei Pferden mit Insulinresistenz oder Hufrehe zunächst ein Tabu sein. Auch für gesunde Pferde sollte die Zufuhr von Fruchtzucker immer in einem gesunden Maß erfolgen.
Disaccharide: Ähnlich wie bei den Monosacchariden treffen Pferde in einer natürlichen Umgebung eher in geringer Dosierung auf Zweifachzucker in den Futtermitteln. Aber auch er ist in reifen Früchten, Wurzeln (Möhren, Rüben) und auch im Gras enthalten. Eine ganz wichtige Rolle spielt aber der Zweifachzucker als Milchzucker für das säugende Fohlen. Denn darüber nimmt das Fohlen schnell verfügbare Energie auf, um im Wachstum genug Energie zu haben.
In heutigen Futtermitteln finden wir den Zweifachzucker auch in Form von Melasse oder Obstsirup als Klebstoff und Leckermacher oder als Lactulose im Bereich der Präbiotika. Auch die Zweifachzucker sind dünndarmverdaulich und werden enzymatisch im Dünndarm in Einfachzucker aufgespalten. Sie stehen dem Körper also ebenfalls schnell als Energiewährung zur Verfügung und beeinflussen direkt den Blutzuckerspiegel.
Nicht-Struktur-Kohlehydrate: Hier wollen wir uns einmal die wichtigsten Formen der Polysaccharide anschauen, mit denen Pferde in der Fütterung konfrontiert werden:
Stärke ist ein Mehrfachzucker, den unsere heutigen Pferde über die Getreidefütterung nahezu täglich auf dem Speiseplan stehen haben. Die Fähigkeit Stärke zu verdauen ist beim Pferd aber eher recht gering. Grundsätzlich wird die Stärke bereits durch Amylase, ein Enzym im Speichel, sehr früh im Verdauungsprozess zu Glucose zersetzt. Dies setzt aber voraus, dass die Getreideration ausreichend gekaut und eingespeichelt wird. Nur dann kann dieser enzymatische Prozess die Stärke zu einem leicht verfügbaren Zucker umwandeln und die Aufnahme im hinteren Teil des Dünndarms erfolgen.
Da Amylase aber nur begrenzt zur Verfügung steht, sollte die Getreideration in einer Mahlzeit nicht mehr als 1 kg betragen. Im Idealfall wird das Getreide mit Struktur vermischt, sodass ausreichend gekaut und eingespeichelt wird.
Sollte der Aufschluss der Stärke im Dünndarm nicht erfolgt sein, gelangt diese unverdaute Stärke in den Dickdarm. Im Darmmikrobiom eines Pferdes finden wir eigentlich keine bis nur einen sehr geringen Anteil an stärkeverdauenden Mikroorganismen. Sollte hier aber regelmäßig Stärke hingelangen, kommt es zu einem Verschub des Darmmikrobioms, was zu Kotwasser, Übersäuerung, Koliken und Schleimhautentzündungen führen kann.
Fruktan ist uns sicherlich allen bekannt und befindet sich hauptsächlich im Weidegras. Fruktan ist der Energiespeicher der Pflanze und entsteht während der Photosynthese. In Zeiten von Stress oder Nährstoffknappheit reichert die Pflanze Fruktan in den Speichern an, und setzt dieses nicht mehr so stark in Wachstumsprozessen um. In diesen Phasen nehmen unsere Pferde eine erhöhte Menge Fruktan zu sich. Immer wieder wird die Rolle von Fruktan als Hufreheauslöser diskutiert.
Klar ist, dass Fruktan nicht im Dünndarm aufgeschlossen wird, da es kein Enzym für ihren Aufschluss gibt. Sie gelangt in den Dickdarm und wird dort neben verschiedenen Bifidobakterien von dem Keim Streptococcus Bovis abgebaut. Fruktan hat daher keinen direkten Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. Die Probleme, die eine erhöhte Fruktanzufuhr mit sich bringen, ist tatsächlich die Anreicherung des Keims. Er produziert bei der Umsetzung von Fruktane Bakteriozine, die die Zellwände anderer nützlicher Mikroorganismen zerstören. Er sorgt somit für eine Verarmung des Darmmikrobioms. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass er Metalloproteinase produziert, dem eine wichtige Schlüsselrolle als Hufreheauslöser zugesprochen wird. Aufgrund des negativen Einflusses von Fruktan auf die Darmflora des Pferdes sollte daher auch bei Nicht-Hufrehekandidaten die Zufuhr im Auge behalten werden.
In einer natürlichen Umgebung treffen Pferde eher selten auf sehr fruktanreiche Gräserarten. Daher ist ein gutes Weidemanagement, welches die Artenvielfalt fördert und die Ansiedlung von Turbogräsern verhindert, eine der besten vorbeugenden Maßnahmen.
Inulin: Alle Ausführungen aus dem Bereich Fruktan treffen auch auf Inulin zu, da Inulin ein Zucker aus der Klasse der Fruktane ist. In einer natürlichen Umgebung treffen Pferde aber eher selten auf Inulin. Man findet es meist in Wurzeln- und Knollengewächsen. In der heutigen Pferdefütterung werden inulinhaltige Futtermittel wie Topinambur und Pastinaken gerne als Präbiotikum um Aufbau der Darmflora eingesetzt. Neben der oben beschriebenen Wirkung im Darm konnte eine Studie zusätzlich nachweisen, dass inulinhaltige Futtermittel den PH-Wert bereits im Magen absenken. Das kann besonders bei Pferden mit vorhanden Magenproblematiken schnell zu Problemen führen, auf Dauer ist aber auch die Entstehung von Magenschleimhautreizungen und Läsionen denkbar. Deswegen sollten inulinhaltige Futtermittel immer nur zeitlich begrenz eingesetzt werden.
Pektin: Pektine finden wir in allen höher wachsenden Landpflanzen, wo sie eine stützende Rolle in der Pflanzenstruktur haben. Aber auch in Früchten und Gemüse ist Pektin oft reichhaltig zu finden. Bei Pferden sind hier speziell Äpfel und Möhren zu nennen, die in der Winterfütterung fälschlicherweise immer noch eine große Rolle spielen. Gerne werden pektinreiche Futtermittel, zum Beispiel mit Apfeltrester, auch als Präbiotikum bei Pferd eingesetzt.
Das Problem ist, das Pferde in ihrer natürlichen Verdauung eher in geringen Maß mit Pektinen konfrontiert sind. Es gibt auch keine enzymatische Verdauung dafür, der Aufschluss findet im Dickdarm durch spezielle Mikroorganismen statt. Diese Mikroorganismen finden wir in einer normalen Darmflora eines Pferdes also nur in geringen Maßen, da sie keine größere Futtergrundlage haben. Werden nun über einen längeren Zeitraum (den ganzen Winter Äpfel und Möhren, unmelassierte Zuckerrübenschnitzel) pektinreiche Futtermittel gefüttert, vermehren sich diese Art der Mikroorganismen stark. Ihr Nachteil ist, dass sie eine saure Umgebung bevorzugen und um sich herum daher ein Milieu um PH-Wert um die 5 schaffen. So kann es bei einer Vermehrung zu einer Übersäuerung des gesamten Darms und zum Absterben anderen Mikroorganismen kommen. Auch starke Reizungen der Darmschleimhäute bis hin zur Darmschleimhautentzündung können die Folge sein. Der Einsatz von pektinreichen Futtermitteln sollte daher immer zeitlich begrenzt und vernünftig dosiert erfolgen. Der Einsatz von unmelassierten Rübenschnitzeln als „Füllmittel“ für Pferde mit EMS oder Hufrehe Probleme halte ich daher auch als kontraproduktiv, da ein Verschub in der Darmflora und eine Übersäuerung diese Probleme noch weiter verschlechtern können.
Bis hierhin kann man also sagen, dass nicht-strukturierte Kohlehydrate für Pferde eine schnelle Energiequelle darstellen können, aber immer nur einen geringen Anteil an der Gesamtration bilden sollten. Kommen wir zu den Struktur-Kohlehydraten:
Cellulose: Ein kleiner Ausflug zu uns Menschen – wir können Cellulose nicht verdauen. Sie zählt bei uns zu den Ballaststoffen, weil sie den Darm nahezu unverdaut passiert. Beim Pferd sieht das anders aus. Da Cellulose zu einem der Hauptbestandteil des Grundfutters zählt, hat die Evolution das Pferd zu einem Dickdarmverdauer werden lassen. Das bedeutet, dass eben ein Großteil der lebensnotwendigen Energie erst im Dickdarm aufgeschlossen und aufgenommen wird. Das gelingt ihnen durch eine harmonische Zusammenstellung von Mikroorganismen in ihrer Darmflora, die Cellulose verdauen können und keine negativen Auswirkungen auf den Pferdekörper haben. Das ist ein recht langwieriger und aufwändiger Prozess, weswegen es auch sinnvoll ist, dass das Pferd ein Dauerfresser ist. So wird der „Gärkammer“ im Blinddarm ständig neue Grundlage zugeführt, damit die mikrobielle Verdauung konstant stattfinden kann und dem Körper immer gleichbleibend Energie zugeführt wird. Das entscheidet das Pferd eben auch so stark von den Mahlzeitenfresser, wie uns, dem Hund oder anderen Raubtieren. Auf diese Art des Futters und der Nahrungsaufnahme ist das Pferd seit vielen Millionen Jahren angepasst und so ist auch die Besiedlung des Darms entstanden.
Cellulose zählt bei den Pferden zur Rohfaser. Sie ist es auch, die ein Sättigungsgefühl eintreten lässt und die eine natürliche Regulation der Futterzufuhr ermöglicht. Der Rohfaserbedarf ist aber noch nicht sehr weitreichend erforscht. Man geht je nach Größe und Gewicht von etwa 2-3,5 Kilogramm pro Tag aus. Deswegen fressen Pferde von frischem Gras mit einem sehr niedrigen Rohfasergehalt auch deutlich mehr als von Heu mit einem deutlich höheren Gehalt an Rohfasern. Auch bei verschiedenen Heusorten kann man sehr häufig feststellen, dass Pferde unterschiedliche Mengen aufnehmen, die meist mit dem Rohfasergehalt einhergehen. Die Verdauung der Cellulose stellt die notwenige Energie für alle Körperprozesse zur Verfügung. Deswegen fressen Pferde zum Beispiel auch mehr Heu, wenn es kälter wird, um genug Energie für das Warmhalten des Körpers zu haben. Alles in allem ist eine konstante Zufuhr von cellulosehaltigen Futtermitteln die gesundeste Ernährung für ein Pferd. Neben Heu sind auch Stroh und Luzerne gute Cellulose-Lieferanten. Aber auch Baumrinde, Äste oder Blätter liefern eine guten Cellulose-Anteil.
Hemicellulose: Auch sie ist Bestandteil aller Pflanzen und dient dort ebenfalls als Baustein zur Stützfunktion der Pflanzen. Ihre Verdauung erfolgt ebenfalls mikrobiell im Dickdarm des Pferdes. Untergruppen der Hemicellulose sind in den letzten Jahren vermehrt in die Aufmerksamkeit der Forschung gerückt, da sie einen direkten Einfluss auf die Gesundheit des Pferdes zu haben scheinen. Es ist aber aktuell noch unklar, wie genau das funktioniert. Manche Hemicellulosen sind auch schleimbildend und haben so eine schützende Wirkung für die natürliche Darmschleimhautbarriere und die Darmschleimhäute selber. Die Hemicellulose nehmen Pferde ebenfalls über Heu und Gras zu sich. Aber auch Kleien enthalten einen hohen Anteil davon, weswegen Weizenkleie zum Beispiel immer noch ein relevanter Bestandteil von Mash-Produkten ist und bei Verdauungsproblemen das Pferd gut unterstützen kann.
Lignin: Lignin ist der Holzstoff der Pflanze. Sie ist noch schwerer verdaulich als Cellulose. Früher wurde oft davon ausgegangen, dass auch Pferde sie nicht verdauen können. Inzwischen ist aber bekannt, dass auch für Lignin ein kleiner Anteil mikrobieller Verdauung stattfindet. Also selbst aus dieser Holzfaser sind Pferde noch in der Lage Energie zu gewinnen. Allerdings liegt die Fraktion der ligninverdauenden Mikroorganismen auch nur in einer geringen Zahl vor. Denn in der Natur nehmen Pferde Lignin hauptsächlich durch das Knabbern von Ästen oder das Schälen von Rinden zu sich. In unserer heutigen Haltung kommt jedoch mit dem Stroh eine größere, relevante Quelle dazu. Denn häufig wird den Pferden nur geringere Mengen an Heu zugeteilt und das Stroh als Füller für die Fresspausen gesehen. Das funktioniert in einem gewissen Verhältnis auch meist noch recht gut. Dieses Verhältnis ist aber von Pferd zu Pferd unterschiedlich. So kann es bei zu großen Strohmengen aber auch zu Verstopfungskoliken kommen. Und umgedreht kann auch Kotwasser von einer übermäßigen Ligninaufahme ausgelöst werden. Hartnäckige Kotwasserkandidaten sollten daher auch immer versuchsweise einmal strohfrei ernährt werden.
Trotzdem sollte man keine Angst vor dem Angebot von Ästen und Rinden haben. Solange die Pferde ausreichend Heu zur Verfügung haben, werden sie von den Ästen nicht so viel zu sich nehmen, dass es Probleme in der Verdauung gibt. Die Holzfaser dient aber als natürliche Form der Darmreinigung. Ebenso wie bei uns Menschen die Cellulose hilft Lignin als Ballastoff eine gesunde Verdauung zu unterstützen.
Es bleibt also dabei: Der beste Energielieferant für ein Pferd ist ausreichend und qualitativ gutes Raufutter. Wenn schnell verfügbare Energie über Getreide zugeführt wird, dann sollte hier immer auf die Menge geachtet und ggf. in mehreren kleinen Portionen über den Tag gefüttert werden.
Ich hoffe wir konnten mit diesem Überblick ein bisschen Klarheit in die Welt der Energielieferanten für Pferde bringen.