Aktuell fahren wieder haufenweise Tierärzte durch das Land und zapfen ihren Kundenpferden Blut ab, um das extrem großzügige und rein auf das Tierwohl ausgelegte Angebot einer großen Firma zur Bestimmung des ACTH-Wertes im Blut für lau anzunehmen. Mit dieser „Diagnostik“ sollen Pferdebesitzer Gewissheit bekommen, ob ihr Pferd an dem gefürchtetem Equinem Cushing Syndrom leidet und ob die sie die rettende rosa Pille benötigen.
Okay, an dieser Stelle deaktiviere ich mal den Sarkasmus Modus und versuche die Emotionen rauszunehmen. Schauen wir uns die Situation einmal genauer an:
Was ist ECS? Ursprünglich wurde das Equine Cushing Syndrom als ein Adenom der Hypophyse beschrieben, also ein Tumor an der Hirnanhangsdrüse. Da dieser in einem großen Teil der symptomatischen Pferde aber nicht nachgewiesen werden konnte, geht man inzwischen eher von einer Fehlfunktion der Hypophyse mit einer mangelnden Dopamin-Bildung aus. Ungeklärt ist, was zuerst da war. Die Fehlfunktion oder der Dopaminmangel. In beiden Fällen wird durch die Hirnanhangsdrüse zu viel ACTH, ein Stresshormon, ausgeschüttet. Dieser Botenstoff veranlasst die Nebenniere Cortisol zu bilden und in diesem Fall dann zu viel Cortisol, da zu viel ACTH an der Nebenniere ankommt.
Cortisol kennen wir sicherlich alle als Glucocorticoid (Kortison) und es hat eine vielfältige Wirkung auf den Körper. Im gesunden Zustand bewirkt der Stresskreislauf aus ACTH und Cortisol, dass der Körper leistungsfähiger wird und so einer Gefahr besser entkommen kann. Dafür greift es auf vielfältigen Ebenen in die Prozesse im Körper ein. Bei einer dauerhaft erhöhten Ausschüttung jedoch kann das negative Auswirkungen im Körper haben. Klassisch sind:
- Übermäßige Bildung oder schlechter Verlust von Fell
- Hufrehe
- Heißhungerattacken
- übermäßiges Trinken und Harnabsatz
- Wassereinlagerungen
- Abmagerung
- Leistungseinbruch und Mattheit
Der Test: Um im Idealfall vor Auftreten dieser negativen Folgen einzugreifen, bieten die oben genannte Firma nun also jedes Jahr zum Ende des Sommers (ein Schelm, wer böses schon beim Zeitraum denkt) dem geneigten Pferdebesitzer an die Kosten für den Labortest zu tragen. Der Pferdebesitzer muss nur den Tierarzt für das Blutzapfen und Versenden bezahlen. Bis hierhin erstmal ein tolles Angebot, oder? So bekommt man Gewissheit und kümmert sich rechtzeitig um die Gesundheit seines Pferdes.
Aber: Bei diesem Test wird lediglich die Höhe des ACTH Spiegels im Blut bestimmt. Also es wird nur geguckt, ist das Stresshormon vorhanden, ja oder nein. Der geneigte Leser wird an dieser Stelle schon den Zusammenhang erkennen. ACTH ist ein Hormon, welches vollkommen natürlich in einer stressigen Situation ausgeschüttet wird und dementsprechend im Blut zu finden ist. Das brave Hotti, welches den Tierarzt und seine Spritzen kennt, hat diesen besagten Stress meistens spätestens dann, wenn der Herr/Frau Doktor den Alkoholtupfer am Hals ansetzt. Meist aber schon viel früher. Natürlich kann aber auch jedwede andere Form von Stress wie Sozialstress in der Herde, Futterstress an der Raufe, hormoneller Stress (kennen ja besonders wir Frauen nur zu gut) oder jede Form von körperlichen Schmerzen den ACTH Spiegel im Blut ansteigen lassen. Auch Stoffwechselüberlastungen greifen in diesen Kreislauf ein und können ja ganz ähnliche Symptome auslösen, wie ich sie eben beschrieben habe.
Das Problem: Mit diesem Wissen dürfte man ja nun davon ausgehen, dass die Diagnostik einer so schwerwiegenden Krankheit irgendwo noch auf sicherere Beine gestellt wird und sich nicht nur auf einen so vielfältig beeinflussbaren Wert verlassen wird. Und ja, da kommt dann noch der zweite Faktor ins Spiel, nämlich das Auge von Herrn/Frau Doktor. Hoher ACTH Wert plus optische Anzeichen wie langes Fell (nicht, dass wir ja schon Winterfell schieben würden), fettes Pony, dünnes Pony, aufgeschwemmtes Pony, Aua-Hufe Pony und vieles mehr = sichere ECS Diagnose.
Kann klappen mit dem richtigen Tierarzt, muss aber nicht. Lassen wir das mal so stehen.
Die Tablette: Nun kommt die kleine rosa Wunderpille ins Spiel. Betrachten wir einmal die Historie. Als vor gar nicht all zu langer Zeit die ersten ECS Diagnosen gestellt wurden, hat man sich dem Wirkstoff Pergolid in Form eines Humanpräparats zu Hilfe bedient. Pergolid ist ein Alkaloid, welches aus dem Mutterkornpilz gewonnen wird, also ein Pilzgift. Sein Vorteil ist, dass die kleinen Dopamin-Rezeptoren im Körper diesen Wirkstoff als eben solches erkennen und andocken lassen. Das Pergolid besetzt also die Dopamin-Rezeptoren und dem Körper wird vorgetäuscht, dass Dopamin im Körper vorlag. An dieser Stelle durchbricht das Medikament den Kreislauf und stoppt die erhöhte ACTH- und damit Cortisol-Ausschüttung. Der Nachteil: Pergolid bindet nicht nur an Dopamin-Rezeptoren, sondern dieses Vortäuschungsspiel findet noch an ganz vielen anderen Rezeptorarten statt und kann negative Folgen haben. Welche Rezeptoren genau betroffen sind, ist bis heute nicht bekannt.
2011 hat man in der Humanmedizin dieses Problem erkannt und das Medikament vom Markt genommen. Praktischerweise hat aber ein findiger Pharmakonzern bereits 2010 die Zulassung für das Medikament „Prascend“ als Tierarzneimittel für Pferde beantragt und auch bekommen. Prascend ist exakt der gleiche Wirkstoff, der kurz darauf in der Humanmedizin verboten wurde. Die USA waren da übrigens noch etwas schneller und haben bereits 2007 die Vermarktung gestoppt. Hier mal ein Link zu den Risiken bei längerer Anwendung: BfArM – Risikoinformationen – Pergolid: keine weitere Vermarktung in den USA wegen fibrotischer Veränderungen an Herzklappen
Da der Pharmakonzern die Zulassung für Pferde aber ja schon hatte, konnte der Bedarf direkt gedeckt werden und der Verlauf lief nahtlos an. Und nein, es gibt leider keinerlei Überprüfungsfunktion, die in so einem Fall auch den Wirkstoff im Einsatz bei Tieren in Frage stellt.
Besonders spannend: Seit 2010 bleibt besagter Hersteller immer noch eine Studie über Wirkung und Nebenwirkungen des Medikamentes schuldig. Die wurde oft angekündigt und auf der Homepage auch breit erwähnt, fragt man jedoch bei B&I einmal nach, ob man die auf der Homepage erwähnten Studien einmal sehen könnte, dann bekommt man entweder gar keine Antwort, oder eine Mail vom Prinzip „Viel geschrieben, nichts gesagt und erst recht keine Studie geliefert“.
Gehen wir mal ein par Monde zurück und sehen, wie viele PferdeMenschen die Corona-Impfungen wegen fehlender Langzeitstudie kritisiert haben, dann würde mich brennend interessieren, wie viele davon ihrem Pferd Prascend gebe. Aber das nur als Sarkasmusausbruch am Rande.
Die Nebenwirkungen: Natürlich gibt auch der Hersteller bekannte Nebenwirkungen an. Diese sind Übermäßiges Schwitzen, Inappetenz, vorübergehende Anorexie (Magersucht) und Lethargie, leichte Anzeichen einer zentralnervösen Störung wie Ataxien oder Niedergeschlagenheit, Diarrhö und Koliken. Gar nicht mal so ohne, oder? Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen: Unsere Stute wäre damals wegen einer falschen ECS Diagnostik und dem Einsatz von Prascend uns fast verhungert, Wir haben nichts mehr ins Pferd bekommen und der einzige Ansatz der Tierärztin war, die Dosierung noch zu erhöhen.
Ganz wichtig: Bitte, bitte, bitte kommt aufgrund meiner Worte jetzt aber nicht auf den Gedanken einfach das rosa Pillchen bei eurem Pferd abzusetzen. Mal ganz abgesehen davon, dass es eben durchaus eben an ECS erkrankte Pferde gibt und diesen durch Pergolid vermutlich auch eine höhere Lebensqualität (denn es ist keine Heilung!) geschenkt werden kann, sind die Pferde regelrecht abhängig von diesem Präparat. Wenn ihr absetzten wollt, dann sucht euch Begleitung. Es muss extrem kleinschrittig vorgegangen werden und parallel der Pferdekörper unterstützt werden. Der schlimmste Fall den ich kenne hat seine komplettes Fell wegen zu schnellem Absetzten abgeschmissen. Er war ein Nacktpferd, bis alles nachgewachsen war. Deswegen das bitte gut begleiten lassen und vorher klären, ob es überhaupt sinnvoll ist. Ging es eurem Pferd vor der Medikamentengabe schlecht und jetzt total gut, dann bekommt es die Wunderpille bitte auch weiterhin!
Wie dann? An der Stelle werde ich oft gefragt, wie man denn dann ECS diagnostizieren soll. Wenn ich darauf mal eine Antwort hätte… Aber ihr könnt die Diagnostik zumindest auf sicherere Beine stellen. Dazu sollte Fogendes beachtet werden:
- Als ich anfing mich mit der Labordiagnostik zu beschäftigen, da wurde erst eine 40-fache Erhöhung des ACTH-Wertes als positive ECS-Diagnose betrachtet. Lasst euch also nicht direkt von einem minimal erhöhten Wert verunsichern.
- Versucht euer Pferd vor und während der Blutabnahme die Situation so stressfrei wie möglich zu machen. Im Idealfall bleibt es auf der Weide oder im Stall, bis der Tierarzt alles bereit hat und steht nicht schon eine halbe Stunde am Anbinder rum. Auch Training solltet ihr vorher vermeiden. Klar, kein Pferd hat Stress beim Training, aber hey, sicher ist sicher.
- Im Idealfall ist euer Pferd mit einem guten Medical Training so vorbereitet, dass es bei der Blutabnahme ganz entspannt bleibt. Wenn nicht, dann helfen vielleicht zumindest ein paar Leckerlies, den Stresspegel niedrig zu halten.
- Besprecht bei der Terminlegung mit eurem Tierarzt, ob er sicherstellen kann, dass das Blut innerhalb von 2-3 Stunden abzentrifugiert wird. Fährt das Röhrchen den ganzen Tag mit auf Tour, könnt ihr die Ergebnisse gleich der Ablage P zuführen.
- Das Pferd sollte möglichst Heu/Gras-nüchtern sein und nicht vor der Abnahme seine Kraftfutter Ration oder diverse Zusatzfuttermittel erhalten haben. Auch die können den ACTH-Spiegel beeinflussen.
- Wenn euer Pferd gerade in einem akuten Schmerzzustand ist (Hufrehe, Sehnenschaden, Arthroseschub, etc.), dann solltet ihr den Termin verschieben.
- Generell ist es sinnvoll nach einem positiven Test mindestens einen, besser noch zwei weitere Gegenproben zu machen, um ein falsch positives Ergebnis auszuschließen.
- Wenn euer Pferd dann noch in allen Tests und mit allen Maßnahmen einen deutlich erhöhten ACTH-Wert hat und das klinische Bild (da ist es wieder das Auge von Herrn/Frau Doktor) zu einer ECS-Diagnostik passt, dann kann es sinnvoll sein dem ach so großzügigen Konzern wieder Geld in die Taschen zu spülen, damit auch im nächsten Jahr wieder die kostenlose Testaktion aus der Portokasse finanziert werden kann.
Und die Natur? Natürlich gibt es auch pflanzliche Alternativen, mit denen ihr euer Pferd zunächst einmal bei leicht erhöhten Ergebnissen und moderaten Symptomen unterstützen könnt. Sehr gute Erfahrungen haben wir dabei mit dem Cushing-Mix von cdVet, den Cortisol & Stoffwechsel Kräuter der Krauterie oder den HormonBalance Kräuterpellets von Naturanima). Wie immer könnt ihr mit unseren Rabattcodes bei manchen der Produkte sparen. Pflanzlichen Produkten sollte man so ca. 6-8 Wochen Zeit geben, um dann erneut zu testen, ob der ACTH-Wert im Blut sich verbessert hat. Parallel solltet ihr auch die Haltung noch einmal überprüfen, ob es dort vielleicht Stressquellen gibt, die eine Erhöhung auslösen können.
Mir ist wichtig noch einmal zu sagen, dass ein hochsymptomatisches Pferd mit mehreren erhöhten Testergebnissen auf jeden Fall sein Medikament bekommen sollte. Unser Ansatz ist so natürlich wie möglich, aber Medikamente bleiben Medikamente und können in so einem Fall zu einer echten Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Aber die kleine rosa Wunderpille darf einfach nicht weiter wie Smarties an Pferde verteilt werden. Dann schmilz vielleicht die Portokasse des Herstellers und vielleicht gibt es dann keine kostenlosen Tests (einer pro Pferd) mehr. Aber den Pferden käme das sicherlich eher zugute!