Eines der umstrittensten Themen in der Pferdefütterung ist die Frage, ob Bierhefe sinnvoll oder gefährlich ist. Immer wieder lese ich Artikel dazu und für mich ergeben sich die meisten Probleme meist aus einer Ungenauigkeit bzw. doppelte Verwendung in den Begrifflichkeiten.
Deswegen starten wir diesen Teil des Lexikons erst einmal mit einer Erläuterung:
Bierhefe: Die lebenden Hefekulturen werden im Brauprozess eingesetzt, um durch Fermentation aus Wasser, Gerste und Hopfen den für manche so schmackhaften Gerstensaft zu produzieren. Am Ende dieses Brauprozess werden seit etwa 50 Jahren die Hefeanteile wieder aus dem Bier herausgefiltert, damit dieses länger haltbar ist. Diese Anteile werden getrocknet und als Tabletten oder Pulver als Einzelfuttermittel für Tiere oder Lebensmittel für Menschen eingesetzt. Wer schon einmal versucht hat Hefe aufzubewahren der weiß, dass dies nicht ohne Nährmedium, gekühlt oder isotonischer Kochsalzlösung funktioniert. Sind die Hefen getrocknet, werden sie inaktiv und können schon nach kurzer Zeit nicht mehr zum Brauen eingesetzt werden. Deswegen ist die Wiederverwendung eines Hefesatzes nach einem Brauprozess auch immer eine Kunst für sich. Das bedeute: Die in der Pferdefütterung zum Einsatz kommende klassische Bierhefe ist nicht mehr aktiv und kann auch im Darm nicht mehr aktiviert werden. Bierhefe werden aber auch die lebenden Hefekulturen (Saccharomyces cerevisiae) genannt, die eben beim Brauprozess zum Einsatz kommen.
Biertreber: Der Biertreber ist ebenfalls ein „Abfallprodukt“ des Brauvorgangs. Er wird nach dem Maischprozess geläutert und besteht aus ungelöstem Eiweiß und den ungelösten Anteilen der Gerste oder des Weizens (z. Bsp. Spelze). Der Biertreber enthält also Getreideanteile und ist deutlich eiweißhaltiger. Dieser wird häufig mit Bierhefe gemischt gefüttert und dann mit Bierhefe BT gekennzeichnet.
Lebendhefen: In der Pferdfütterung sind neben Milchsäurebakterien noch Lebendhefen als Probiotika zugelassen. Probiotika sind lebende Organismen, die die Darmflora des Tieres stabilisieren und aufbauen sollen. Dazu wird auch häufig Saccharomyces cerevisiae, also die lebende Hefe, die sonst dem Brauprozess zugesetzt werden, verwendet. Das Problem an diesen Lebendhefen ist, dass sie die Magensäure überleben und so in den Darm gelangen. In einer natürlichen Darmflora werden die Hefen dieses Stammes aber gar nicht gefunden. Sie gehören also eigentlich gar nicht in unsere Pferde. Deswegen haben sie neben anderen negativen Effekten auch die Gefahr, dass sie die gewünschten und benötigten Bewohner der Darmflora verdrängen. Aber das soll hier nicht Thema sein
Wie kannst du als Pferdebesitzer aber erkennen, welche Form der Bierhefe in einem Produkt vorliegt? Grundsätzlich ist zu sagen, dass lebende Hefekulturen als Zusatzstoffe (zootechnische oder technologische) laut Futtermittelrecht gekennzeichnet werden. Das heißt ein Hersteller, der lebende Hefen seinem Produkt beifügt, hat eine Deklarationspflicht. Anders ist es bei der inaktiven Bierhefe, die ein Einzelfuttermittel für Pferde ist. Diese wird nur in den Inhaltsstoffen aufgeführt. Sollte die Bierhefe mit Biertreber versetzt sein, so muss dies ebenfalls in den Inhaltsstoffen angegeben werden.
Natürlich ist das die Theorie und die Vorschrift. Sollte es für euch nicht erkennbar sein, dann bleibt im schlimmsten Fall nur die Nachfrage beim Hersteller! So das nun einmal vorweg. Und nun starten wir aber mit den Gründen, warum ich die Bierhefe sogar für einen sehr wertvollen Bestandteil der natürlichen Pferdefütterung halte.
Inhaltstoffe/ Wirkung:
B-Vitamine: Die Bierhefe enthält die Vitamine B1,2,3,5,6,9 und Biotin (B7). Diese sind Bestandteile vieler Enzyme, die im Stoffwechsel benötigt werden. Aber sie sind auch wichtig für Hufe, Haare, Nerven und Haut.
Beta-Glucane: Diese Ballaststoffe haben in Studien gezeigt, dass sie das Immunsystem des Pferdes stärken, da sie die Aktivität der Makrophagen (Fresszellen) anregen. Außerdem wirken Beta- Glucane präbiotisch im Darm des Pferdes. Das heißt sie dienen als Nahrungsgrundlagen für die gesunden und gewünschten Bewohner des Darms.
Mannanoligosaccharide: MOS sind ebenfalls wertvolle Präbiotika. Außerdem sollen sie die Ausbreitung von unerwünschten Keimen im Darm hemmen und die natürliche Schleimhautbarriere des Darms stärken. Die wichtigste Funktion aber: MOS sind ein wertvoller Toxinbinder für Mykotoxine. Sie binden weit mehr Mykotoxine und meist auch noch effektiver als Gesteinsmehle. Deswegen empfehle ich auch als Toxinbinder gerne eine Kombination aus Gesteinsmehlen und inaktiver Bierhefe.
Cholin: Cholin ist ein wichtiger Baustein für Leberzellen und unterstützt deswegen die natürlichen Regenrationsvorgänge der Leber, wenn sie überlastet war oder ist. Aber er unterstützt auch im Entgiftungsprozess den Transport der Toxine in der Leber.
Kupfer, Mangan, Selen, Zink und Eisen: Ihr seht, die Bierhefe ist eine echte Quelle für Spuren- und Mengenelemente. Das ist auch der Grund, warum sie häufig Bestandteil von natürlichen Mineralfuttern ist. Die Mineralstoffe liegen hier wieder in natürlichen Verbindungen vor, sodass diese auch optimal bioverfügbar für das Pferd sind.
Proteine: Bierhefe enthält besonders viel Lysin und insgesamt einen Proteingehalt zwischen 40-50 %. Damit ist sie auch für die Fütterung von PSSM 2 interessant. Aber auch zum Muskelaufbau oder bei älteren Pferden kann die Bierhefe eingesetzt werden. Bei Hufrehe- und Pummelpferden sollte auf eine angepasste Dosierung geachtet werden.
Eiweiß: Sehr häufig wird vor dem hohen Eiweißgehalt von Bierhefe gewarnt. Die normale Bierhefe hat etwa 15 % Eiweiß. Also durchaus nicht ganz unerheblich, aber in einer normalen Dosierung in Ordnung. Verwechselt wird dabei aber gerne die mit Biertreber versetzte Bierhefe, welche mit einem Eiweißgehalt von 1:3 als Futtermittel für Pferde eher ungeeignet ist.
Dosierung:
Ponys bekommen 30-70 Gramm, Großpferde 50-100 Gramm.
Hufrehe-Pferde sollten bei reiner Bierhefe-Fütterung an der unteren Grenze liegen. Ein Einsatz von bierhefehaltigen Ergänzungsfuttermitteln wie Toxinbinder oder Mineralfutter ist aufgrund des Mischungsverhältnisses kein Problem.
Risiken/Nebenwirkungen:
Manche Pferde reagieren auf bierhefehaltige Produkte mit Kotwasser oder vermehrten Blähungen. Dann sollten die Produkte abgesetzt werden. Kontrolliert dann aber bitte noch einmal, ob es sich wirklich um reine Bierhefe und keine Mischung mit Biertreber handelt. Dieser wird fast nie vertragen.
PSSM 1 Pferde sollten keine Bierhefe erhalten!