Ich schiebe das jetzt schon etwas länger vor mir her, aber heute muss sich endlich mal die Zeit genommen werden. Immer häufiger lese ich in den Gruppen die Empfehlung: Lass das Heu testen und dann ein Mineralfutter mischen und du weißt genau, wie viel dein Pferd davon fressen darf. An diesem tollen Konzept gibt es für mich mehrere Haken:
- Wenn ihr das so machen wollt, dann müsst ihr bitte ein Mineralfutter für jede einzelne Wiese haben und eigentlich für verschiedene Wiesenbereiche, wo euer Heu her kommt. Ich habe mir mal den Spaß gemacht und 10 Heuballen testen lassen von ein und der selben Wiese. Die Ergebnisse hätten nicht unterschiedlicher sein können. Ist ja auch kein Wunder, denn am Waldrand stehen andere Pflanzen, als mitten auf der Wiese oder an Bachseite. Klar, es wird dann immer gesagt: Ihr müsst das Heu mischen. Aber wie genau macht ihr das, vor allem, wenn ihr dann noch in einem Einstellbetrieb steht, wo 100 Rundballen und mehr im Jahr durchgeschleust werden? Also das Angebot zu ermitteln, wird schon mal verdammt schwer. Zumal in dieser Analyse dann ja auch noch wichtige Infos wie die Inhaltsstoffe zum Beispiel aus Stroh, Weide, Äste und Co fehlen.
- Dann sehen wir uns die andere Seite an, den Bedarf. Ich habe hier 5 Pferde stehen zwischen 9 und 40 Jahren. Der Bedarf könnte unterschiedlicher nicht sein. Aber vergleichen wir mal die beiden Stuten: Beide Isländer, beide 30 Jahre alt, beide gesund, beides Stuten, beide im Erhaltungsbereich trainiert. Das Konzept der Bedarfsanalyse würde also beide identisch füttern. Sie könnten von ihrem Bedarf aber nicht unterschiedlicher sein. Fenja, der Schimmel, war schon immer eher rippig. Sie braucht energiereiches Zusatzfutter, und macht viele Fresspausen. Srümja ist eher immer in der Tendenz etwas runder zu sein. Sie kommt mit Heu rund um die Uhr klar und bekommt nur ein Krippenfutter. Laut Tabellen haben beide den gleichen Bedarf. Woher kommen diese Tabellenwerte überhaupt? Im Mineralstoffbereich habe ich bisher immer nur Studien zu synthetischen Zusätzen gefunden. Der Bedarf an natürlichen Vorkommnissen scheint nie ermittelt. Und viele der Werte wurden von Milchkühen umgerechnet. Vielleicht habe ich etwas verpasst, aber was genau hat deren Bedarf mit denen von Pferden zu tun?
- Und der dritte und wichtigste Punkt für mich ist: Meine Pferde haben hier immer rund um die Uhr Heu zur Verfügung. Wenn ich alleine den täglich schwankenden Verbrauch sehe, dann weiß ich, dass kein Tag wie der andere ist. Wenn es heiß ist, dann wird deutlich weniger gefressen. Heute, wo es regnerisch und kühl ist, wird deutlich mehr verbraucht, als noch gestern, wo es sonnig und trocken war. Es ist der gleiche Heuballen. Auch die Nutzung der verschiedenen Salzlecksteine ist immer wieder spannend zu beobachten: Im Fellwechsel wird der Meersalz Leckstein angenommen, der auch im Sommer bei großer Hitze geliebt wird. Sonst ist es eher das Steinsalz, was genutzt wird. Und während des Anweidens zum Beispiel sind die Steine komplett verwahrlost. Das können meine Pferde selber entscheiden.
Wie genau soll also ein Konzept funktionieren, dass ein schwammig ermitteltes Angebot einem undifferenziert ermittelten Bedarf gegenüber stellt und das ohne Berücksichtigung irgendwelcher äußeren Einflüsse? Übertragt es mal auf euch. Habt ihr tatsächlich täglich den gleichen Bedarf? Habt ihr nicht manchmal Heißhunger (abgesehen von der Schokolade und den Chips) auf bestimmte Lebensmittel? Ist euch aufgefallen, dass euer Körper in bestimmten Jahreszeiten nach bestimmten Lebensmitteln verlangt?
Und was dann? Die Frage bekomme ich dann häufig gestellt, wie denn dann gefüttert werden soll. Das ist eben nicht pauschal zu beantworten. Wer meine Seminare und Webinare besucht hat, der weiß, dass es drei einfache Grundpfeiler gibt:
- Das Auge des Besitzers: Wenn ich in die Futterberatungen gehe, dann stelle ich immer ganz viele Fragen. Und zu mindestens 90% sind den Leuten alle Dinge, die ich anspreche, selber aufgefallen. Sie wussten nur nichts damit anzufangen. Deswegen kann ich nur empfehlen sich ständig weiterzubilden.
- Hört auf euer Pferd: Solange euer Pferd gesund ist, könnt ihr von ihm ganz viel lernen. Beobachtet es und bietet an und schaut, was es dazu sagt. Daraus wird sich für euch ein Jahresrhythmus ergeben. Und euer Pferd wird euch sagen, ob er passt oder nicht.
- Vertraut eurem Bauchgefühl: So oft spreche ich mit den Besitzern und höre so Sätze wie: Das habe ich meinem Tierarzt gleich gesagt. Oder: Das war auch mein Bauchgefühl. Ja dann trau dem doch auch. Niemand kennt euer Pferd besser als ihr. Da kann euch kein Experte reinreden. Wenn ihr das Gefühl habt, ihm tut etwas nicht gut, dann macht es nicht. Und wenn ihr das Gefühl habt, er möchte etwas gerne haben. Dann probiert es. Aber versucht mit euren Entscheidungen gerade zu sein.
Und zum Abschluss: Eine (natürliche) Pferdefütterung beruht auch viel auf dem Prinzip von Try an Error. Ihr werdet eurer Pferd (mit den meisten) Futtermitteln nicht sofort umbringen. Und auch nicht sofort in einen Mangel stürzen. Wenn ihr merkt, so reicht es nicht aus, dann probiert etwas anderes.