Zu diesem Thema will ich schon sehr lange etwas schreiben, weil ich mir diese Frage immer wieder so stelle. Als ich angefangen habe mich mit Ernährungsberatung und Pferdetherapie zu beschäftigen, war immer klar: Am Anfang steht die Diagnose! Wenn ich etwas bekämpfen möchte, dann muss ich meinen Feind kennen. Aber gefühlt ist bei den Tierärzten eine regelrechte Unlust an der Diagnose entstanden und bei den Pferdebesitzern entweder der Spaß an Glücksspielen gewachsen, oder das Vertrauen in die Veterinärmedizin geschrumpft.
Klar, es gibt auch Fälle, in denen alle Diagnostik am Ende kein zufriedenstellendes Ergebnis bringt und man nach dem Try and Error Prinzip beginnt zu behandeln. Das gibt es, ohne Frage. Aber seien wir ehrlich – das sind die Ausnahmen. In der Regel bringt eine zielführende, strukturierte Diagnostik am Ende ein Ergebnis, anhand dessen man einen Behandlungsplan im Idealfall mit allen am Tier beteiligten Therapeuten erarbeiten kann. Denn Hand in Hand werden meist die besten Ergebnisse erzielt.
Aber irgendwie scheint der Spaß an der Diagnostik verloren gegangen zu sein. Und nein, damit meine ich nicht nur die Pferdebesitzer, sondern auch die Tierärzte. Ich möchte euch mal einige Beispiele aus der Praxis bringen.
Anfrage zur Ernährungsberatung, das Pferd hustet seit Monaten. Der Husten wurde schlimmer, die Atmung verschlechterte sich und am Ende hat die Besitzerin nun ein Pferd, dass unter akuter Atemnot leidet. Auf die Frage, wie behandelt wurde, bekomme ich eine recht übliche Antwort. Es ging los mit den bekannten Medikamenten im Bereich Schleimlösung und Bronchienerweiterer. Als das nicht half, folgte ein Breitbandantibiotikum und mehr Schleimlöser und Bronchienerweiterer. Als das immer noch nichts brachte, sollte das Heu nass gemacht werden und es gab Kortison dazu. Inzwischen musste natürlich auch ein Magenschutz dazu genommen werden, den Magenprobleme bekam das Pferd nun auch. Irgendwann wurde dann noch inhalieren empfohlen.
So etwas ist nicht ein Beispiel, diesen Verlauf habe ich allein in den letzten zwei Jahren etwa 20-mal präsentiert bekommen. Auf die Nachfrage, was denn an Diagnostik betrieben wurde, ist dann meist Schweigen am Telefon. Nicht, weil der Besitzer es nicht gewollt hätte. Vom Tierarzt kam dann einfach kein weiterer Vorschlag.
Solche Fälle schicke ich immer als erstes in die nächste Klinik mit einem Tierarzt, der sich auf Atemwegserkrankungen spezialisiert hat. Und nein, diesen Pferden kann man den Stress einer Bronchoskopie, meist auch nicht den Transport und die Sedierung nicht ersparen. Denn wir müssen wissen, was diese Probleme verursacht. Die Diagnose kann dann total unterschiedlich sein. Eine Superinfektion, resistente Bakterien, eine allergische Thematik, und, und, und. Je nach Diagnose folgt dann eine Therapie ggf. mit durch ein Antibiogramm bestätigte Antibiotika, angepasste Inhalationsmedikamente, weitere Spurensuche durch Heuanalysen, Anpassung der Haltungsbedingungen, begleitende Phytotherapie, und so weiter.
Das Resultat ist immer das Gleiche: Wir können die Situation und die Lebensqualität deutlich verbessern bis hin zu vollständig auskurieren. Das ist in solch schlimmen Fällen nicht mehr immer möglich. Deswegen: Bei Husten länger als 14 Tagen immer weitere Diagnostik betreiben!
Dann ein anderes Beispiel vom einem Wallach. Er geht immer mal wieder taktunrein, bis hin zu lahm. Das auch von der Situation her über mehrere Monate. Nicht gleichbleibend schlecht, manchmal sogar unauffällig. Aber immer wiederkehrend. Es gibt Schmerzmittel und Entzündungshemmer, es wird ein Hufgeschwür vermutet, dann wieder eher die Sehne. Die Sehne wird auch geschallt, weil es auf dem anderen Bein bereits einen Schaden gab. Und ja, da wird auch eine leichte Aufrauhung gefunden, aber ob die diese ständig wiederkehrende Situation erklärt. Immer wieder ist der Huf in Verdacht, es soll theoretisch geröntgt werden. Aber das Gerät wird vergessen beim nächsten Termin, also wieder Schmerzmittel, beobachten, etc. Dann landet die Anfrage bei uns, was kann man hier noch pflanzlich machen, um zu unterstützen? Unsere Empfehlung: Ab in die nächste Tierklinik mit einem Orthopäden zur vernünftigen Lahmheitsdiagnose. Ergebnis in diesem Fall: Hufknorperverköcherungen. Das Pferd bekommt einen zwischen Tierarzt und Hufschmied abgestimmten Beschlag, wir unterstützen pflanzlich mit den passenden Produkten und das Training wird auf die Schwachstellen ausgerichtet angepasst. Heute galoppieren die beiden wieder fröhlich zusammen durch den Wald.
Wie viel schneller hätte man diesen Zustand der Schmerzfreiheit erreichen können, wenn die Tierärztin wie besprochen zu einem der unzähligen Besuche ihr Röntgengerät mitgebracht hätte?
Der eindrücklichste Fall, wie weit notwendige Diagnostik gehen kann und wie wichtig sie ist, ist die Stute meiner Freundin. Letztes Jahr Anfang Dezember zeigte sie plötzlich eine heftige Lahmheit erst auf dem einen, dann auf dem anderen Hinterbein. Der Haustierarzt begann mit Schmerzmitteln, es wurde jedoch relativ schnell entschieden, dass es zur weiteren Untersuchung in die Klinik geht. Dort wurde geröngt und geschallt. Der erste Termin dauerte etwa 5 Stunden lang (dank Corona standen wir so lange im Schneeregen und wartetet vor der Tür). Alle viertel Stunde kam der Tierarzt raus und sagte den Satz „Wir dachten wir haben, es, aber…“. Fame hat noch einmal eindrücklich bewiesen, wie wichtig die vergleichende Untersuchung auf dem anderen Bein ist. Denn immer, wenn etwas gefunden wurde, dann war das auf der anderen Seite genauso. Also eher eine „Anomalie am Skelett“, was aber nicht die starke Lahmheit auf dem einen Bein erklärte. So ging es wie gesagt viele Stunden und am Ende stand zunächst die Diagnose Fesselträgerschaden im Raum. Allerdings war der Herr Doktor damit aber auch nicht so wirklich glücklich. Und so sollte Fame bleiben und am nächsten Tag eine Leitungsanästhesie erfolgen. So hätten wir lokalisieren können, wo das Problem herkommt.
Klassisch also schrittweise das Bein abspritzen, um festzustellen, wann die Lahmheit verschwindet.
Am nächsten Tag dann der Anruf: Tierarzt und Helferin haben den Versuch dort irgendwas reinzuspritzen beinahe mit der körperlichen Unversehrtheit bezahlt. War leider bei der kleinen Bitch fast zu erwarten.
So wurde dann zunächst vereinbart, dass wir die Sehnennschäden behandeln und weitersehen, wie es sich entwickelt. Denn hier in dieser Klinik waren wir mit den vorhandenen Mitteln erst mal am Ende der Diagnostik angekommen. Es wurde vereinbart, dass wir anbehandeln, im Falle einer erneuten Verschlechterung aber eine Szintigraphie der nächste Schritt wäre. Es dauerte nicht lange, da stand Fame vor Schmerzen zitternd in ihrer Krankenbox. Also war der nächste Schritt angesagt. Und ja, die Verlegung in eine andere Klinik war Stress pur, ja, sie hat abgebaut ohne Ende vom Stress und vor Schmerzen, ja, die notwendigen Medikamente für die Szinti haben ihren eh schon entgleisten Stoffwechsel noch um einiges mehr belastet. Trotzdem stand außer Frage, dass dieser Schritt nun notwendig war. Wir haben sie bestmöglich begleitet mit allem, was uns an Produkten zur Verfügung stand.
Sie Szinti brachte auch das eindeutige Ergebnis, wo wir zu suchen hatten. Nicht der Fesselträger war ursächlich das Problem, sondern die Gleichbeine. Dann wissend, wo die Problematik sitzt, konnten im richtigen Winkel geröntgt auf beiden Beinen Gleichbeininfarkte festgestellt werden.
Und wie heißt es so schön: Problem erkannt, Problem gebannt. Auch hier arbeitete das Team aus Hufschmied, Osteopath, Ernährungsberater, Tierarzt und die Besitzerin in Form von Elektrotherapie und konsequenten Aufbautraining und sonst Boxenruhe optimal zusammen. Bereits der erste Kontrollbesuch im machte große Hoffnung, dass die sehr konservative Therapie gute Erfolge zeigte. Warum konservativ? Ganz einfach: Selbst unter Sedierung hätten wir lokal dort unten nichts anspritzen können. Das war leider schnell klar. Im Sommer dann die Ansage vom Tierarzt: So, dann geht es ab jetzt mindestens drei Mal die Woche für 1-1,5 Stunden ins Gelände und in das tägliche Training darf bis zu 15 Minuten Galopp integriert werden.
Ich weiß, das war jetzt viel Text. Aber ich wollte euch mit diesen drei Beispielen einmal deutlich zeigen, wie wichtig eine ausführliche Diagnostik sein kann. Ich könnte euch allein aus dem gerade endenden Jahr bestimmt 50 Fälle erzählen, in denen durch nicht erfolgte Diagnostik lange Zeit ins Land gegangen ist, in denen dem Pferd bereits hätte geholfen werden können. Nur, um die Tragweite noch einmal klarzumachen.
Ich will hier auch niemandem die Schuld in die Schuhe schieben. Da sind immer ganz viele Faktoren, die da mit reinspielen:
- Wir haben leider immer noch viele Haustierärzte, die nicht überweisen oder dem Tierbesitzer deutlich klar machen, dass weitergesucht werden muss. Warum? Da mag es viele Motive geben. Deswegen ist es auch eure Verantwortung, selber aktiv zu werden und zur Not eine Zweitmeinung einzuholen. Lasst euch erklären, was der Tierarzt untersucht hat, wie er behandelt und welches Ergebnis davon zu erwarten ist. Ich sage immer, nach spätestens 14 Tagen sollte ein absoluter Trend bergauf erkennbar sein oder der Spuk vorbei sein, sonst muss weiter geschaut werden. Bei Lahmheiten und Atemwegsproblemen teilweise früher, je nach Heftigkeit.
- Es gibt auch noch viele Pferdebesitzer, die von ihrem Haustierarzt das rundum sorglos Paket erwarten. Auch bei den Tierärzten gibt es Spezialisierungen. Und das ist auch gut so. In Kliniken gibt es diagnostisch meist mehr Möglichkeiten, als es vor Ort so ohne weiteres möglich wäre. Vieles geht vor Ort, aber nicht alles und nicht immer gleich gut. Die meisten spezialisierten Kliniken sind auch stets auf dem neusten Stand, was Technik und Wissen betrifft. Fragt mal euren Haustierarzt nach einer ECVM Diagnostik. Ich würde vermuten, nicht mal die Hälfte kann damit etwas anfangen. Und ich kann es da auch noch mal nur ganz deutlich sagen: Ihr fragt auch nicht euren Hausarzt, ob er auch kurz einen Zahn ziehen kann und erst recht nicht, werdet ihr ihn bei gynäkologischen Problemen aufsuchen. Also warum wird immer noch von jedem Tierarzt erwartet, dass er alles kann?
- Und wir haben auch immer noch unzählige Pferdebesitzer, die einen Klinikaufenthalt als zu stressig empfinden oder gar den Transport dahin. Ich kann euch versprechen, Jeder Tag mit Schmerzen, Atemnot oder anderen schwerwiegenden Problemen ist für euer Pferd stressiger und gefährlicher als so ein Klinikaufenthalt. Ihr könnt euer Pferd optimal darauf vorbereiten, indem ihr bereits heute an der Verladefähigkeit arbeitet. Trainiert das Verladen und Fahren und auch das Warten und still Stehen an fremden Orten bereits heute, wo euer Pferd gesund ist. Baut das spielerisch auf.
Macht euch einen Notfallplan. Wo bekommt ihr im Fall der Fälle einen Hänger her, ein Zugfahrzeug oder welches Transportunternehmen in eurer Nähe gibt es. Das ist eure Verantwortung in Sachen Gesundheitsvorsorge für euer Pferd. Und ich wünsche euch, dass es niemals nötig sein wird, dass ihr in eine Klinik fahren müsst. - Natürlich müssen wir auch darüber sprechen, dass solche Untersuchungsmethoden extrem teuer werden können. Deswegen macht spätestens seit der neuen GOT es noch einmal mehr Sinn, über das Thema Krankenversicherung auch für´s Pferd nachzudenken. Zumindest aber eine umfängliche OP Versicherung. Wäre im oben genannten Fall der Szinti nämlich zum Beispiel eine OP gefolgt, so wäre die bildgebende Diagnostik im Vorfeld von der OP-Versicherung gezahlt worden. Alternativ macht das eigene Sparkonto Sinn. Legt jeden Monat einen gewissen Geldbetrag pro Pferd zurück, den ihr für solche Fälle spart.
Ich muss aber auch zum Thema Geld sagen, dass eine vernünftige Diagnostik vielleicht für den Augenblich teurer ist. Rechnet man aber die vielen Behandlungsversuche, Produkte und Medikamente zum Ausprobieren und den eventuell durch die Verzögerung entstandenen Schaden zusammen, dann fahrt ihr meistens leider deutlich teurer. Und habt im allerschlimmsten Fall am Ende ein Pferd, welches dauerhaft geschädigt oder gar tot ist.
Also bitte: Wenn euer Pferd ein Problem hat, welches mit der derzeitigen Therapie nicht verschwindet oder immer wieder kommt, dann lasst weitersuchen! Wenn wir wissen, wie unser Feind aussieht, dann können wir ihn auch effektiv bekämpfen. Alles andere ist Glaskugelgucken und auf´s Glück setzten. Kann klappen, muss es aber nicht… Und nur zur Sicherheit: Bioresonanz ist keine Diagnostik. Sie kann vielleicht einen Hinweis liefern, vor der Therapie sollte aber auch der noch einmal durch bekannten Diagnoseverfahren bestätigt werden.