Gerade gibt es eine wahre Warnwelle vor dem Einsatz von Presskuchen in der Pferdefütterung. Grund genug, das Thema einmal detailliert aufzurollen. Und da steht zu Beginn wieder einmal die Definition. Denn viele der Social Media Beiträge disqualifizieren sich schon damit, dass verschiedene Nebenprodukte der Ölgewinnung in einen Topf geschmissen werden. Das ist aber für die Bewertung nicht sehr zielführend. Aber Achtung, das wird jetzt lang…
Die Hersteller müssen in ihren Inhaltsstoffen genau angeben, aus welchen Verfahren das Nebenprodukt stammt. Die verschiedenen Definitionen sind:
Presskuchen: Erzeugnis, das bei der Ölgewinnung durch Pressen der Ölsaat anfällt (Kaltpressung).
Extraktionsschrot: Erzeugnis, das bei der Ölgewinnung durch Extraktion aus der Ölsaat, die einer geeigneten Wärmebehandlung unterzogen wurde, anfällt (Heißpressung).
Kuchenfutter: Erzeugnis, das bei der Ölgewinnung durch Kaltpressen und Raffinieren der Ölsaat anfällt. Es kann bis zu 1 % der Summe der verwendeten Bleicherde und Filterhilfsstoffe (z. B. Kieselerde, amorphe Silicate und Siliciumdioxid, Phyllosilicate und Zellulose- oder Holzfaser), 1,3 % Rohlecithine und 2 % Seifenstock enthalten
Extraktionsschrotfutter: Erzeugnis, das bei der Ölgewinnung durch Extraktion aus der Ölsaat, die einer geeigneten Wärmebehandlung und Raffination unterzogen wurde, anfällt (Heißpressung). Es kann bis zu 1 % der Summe der verwendeten Bleicherde und Filterhilfsstoffe (z. B. Kieselerde, amorphe Silicate und Siliciumdioxid, Phyllosilicate und Zellulose- oder Holzfaser), 1,3 % Rohlecithine und 2 % Seifenstock enthalten.
Schon bei diesen verschiedenen Definitionen wird sicherlich klar, dass man diese Produkte hinsichtlich ihres Mehrwertes in der Fütterung, Anfälligkeit für Oxidation und Belastungen nicht miteinander vergleichen kann. Und an der Stelle ist beim Presskuchen noch nicht differenziert, ob der Kuchen aus der ersten Pressung stammt, oder ob dieser mehrfach gepresst wurde.
Von unserer Seite ist es indiskutabel, dass Kuchenfutter und Extraktionsschrotfutter nichts im Pferdefutter zu suchen haben. Die Rückstände aus der chemischen Bearbeitung können den Stoffwechsel belasten. Dazu ist fraglich, wie viele der wertvollen Inhaltsstoffe der verwendeten Ölsaat nach diesen Prozessen für die Pferde noch wirklich zur Verfügung stehen. Trotzdem werden diese Nebenprodukte gerne verwendet, da sie natürlich entsprechend günstiger zu bekommen sind.
Beim Extraktionsschrot werden die Samen vor der Pressung je nach Samen auf um die 100 Grad Celsius erhitzt. Dadurch erreicht man eine höhere Ölausbeute aus den Samen. Aber natürlich hat diese Wärmebehandlung auch Folgen für die Nährstoffe, die wir später im Presskuchen erwarten können. Besonders Vitamine und Aminosäuren (Proteine) sind wenig hitzebeständig und beginnen teilweise schon bei Temperaturen über 40 Grad sich in ihrer Struktur zu verändern. Ob und wieviel sie dann noch zur Verfügung stehen, ist bisher weiterhin unklar.
Eins vorweg, bevor wir gleich in die Mythen einsteigen: Auch wir setzten am liebsten die ganzen Samen ein. Denn die gesamten Samen und Saaten enthalten immer die volle Bandbreite an Nährstoffen und sekundären Pflanzenstoffen. Und die Lagerfähigkeit von geschlossenen Samen und Saaten sind einfach unschlagbar. Trotzdem enthält Presskuchen aus der erste Pressung viele wertvolle Nährstoffe für unsere Pferde, haben weniger Fett als die ganze Ölsaat selber und können in vielen Bereichen sinnvoll eingesetzt werden.
Mythos 1: Abfall
Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Presskuchen doch nur Abfall sei, der eigentlich entsorgt werden würde. Stattdessen wird er dem armen Pferdebesitzer teuer als Pferdefutter verkauft.
Das ist schlichtweg falsch! Keine Ölmühle käme auf den Gedanken Presskuchen zu entsorgen. Schon lange vor dem Einsatz im Pferdefutter wurde Presskuchen zum Beispiel als Dünger eingesetzt. Denn neben den Nährstoffen verbessert der Presskuchen die Belüftung der Wurzeln und die Wasserinfiltration. Aber auch als Backzutat, zur Gewinnung von Enzymen, Antibiotika und anderer Biochemikalien und natürlich in der Nutztierfütterung findet der Presskuchen seine Verwendung. Wir Pferdebesitzer werden also nicht benötigt, um den Presskuchen dieser Welt zu verarbeiten.
Mythos 2: Ranzig werden
Die zweite Behauptung ist, dass Presskuchen quasi umgehend ranzig werden und daher nichts im Pferdefutter zu suchen haben. Dieser Teil ist zumindest grundsätzlich richtig. Presskuchen kann, wie einfach alles, was Fett enthält, ranzig werden. Da „Ranzigwerden“ einfach nur die negative Veränderung des Presskuchens beschreibt, wollen wir auch hier einmal in die verschiedenen Formen einsteigen.
Oxidation: Wenn die ungesättigten Fettsäuren im Presskuchen mit Sauerstoff reagieren, dann entstehen peroxidische Verbindungen. Diesen Vorgang nennt man Oxidation. Diese stark flüchtigen Verbindungen sind für den intensiven Geruch bei ranzigem Öl oder Presskuchen verantwortlich. Die Oxidation von Fettsäuren wird durch Hitze, Licht und Sauerstoff beschleunigt. Also ein weiterer Grund nur Presskuchen aus Kaltpressung zu verwenden.
Enzymatische Veränderungen: Jede Ölsaat enthält neben den Fettsäuren auch Enzyme wie die Lipasen. Diese ist auch im Körper für die Spaltung von Fettsäuren verantwortlich und kann das natürlich auch bereits im Presskuchen tun. Dadurch entstehen freie Fettsäuren, die einen unangenehmen Geschmack und Geruch verursachen können.
Hydrolyse: Kommen Fettsäuren mit Wasser in Kontakt, kann auch hier unter der Katalyse durch bestimmte Enzyme eine chemische Reaktion stattfinden. Auch hier können freie Fettsäuren entstehen.
Mikrobielle Zersetzung: Presskuchen kann auch ranzig werden, wenn dieser durch Pilze, Hefen oder Bakterien befallen ist. Auch diese Mikroorganismen produzieren Enzyme, die wiederum zur Zersetzung der Fettsäuren führen können.
Ihr seht also: Wenn in Artikeln vom ranzig werden gesprochen wird, dann werden da wieder ganz viele verschiedene Prozesse in einem einfachen Wort zusammengefasst. Ich denke es ist aber auch klar, dass das Risiko des ranzigen Werdens von Presskuchen durch eine vernünftige Verarbeitung und Lagerung stark reduziert werden kann. Neben dem Hersteller habt also auch ihr einen großen Einfluss darauf, ob euer Presskuchen ranzig wird oder nicht. Und wir wollen hier noch einmal klarstellen, dass dieser Prozess für einfach jedes Futtermittel gilt, das Fett enthält. Nicht nur für Presskuchen
Verarbeitung: Mit dem Kauf von Presskuchen aus Kaltpressung umgeht ihr schon einmal das erste Risiko für Oxidation, nämlich die Wärme. Dazu könnt ihr den Kuchendealer eures Vertrauens auch mal auf den Zahn fühlen, wie in der Ölmühle gearbeitet wird. Bei Mischfuttern ist natürlich auch die Hygiene beim Hersteller wichtig. Wie werden die Mischmaschinen gereinigt. Wenn das Futter pelettiert wird, welche Temperatur entsteht beim Pressen? Wie immer gilt: Je weniger Verarbeitungsschritte, desto geringer die Risikoschritte fürs ranzig werden.
Trocknung: Ein gut getrockneter Presskuchen reduziert zum einen das Risiko für Hydrolyse, zum anderen wachsen auf trockenen Produkten auch Pilze und Bakterien nicht so gerne. Die Restfeuchte eines Produkts gibt euch also auch Aufschluss über mögliche Risiken des ranzigen Werdens.
Antioxidantien: Je nach Ausgangsprodukt liefert der Presskuchen gleich seinen eigenen Schutz gegen Oxidation mit. Das bekannteste Antioxidans ist Vitamin E. Das heißt je höher der Gehalt an Vitamin E, desto geringer die Gefahr. Aber auch Polyphenole, eine Gruppe von sekundären Pflanzenstoffen, sind starke Antioxidantien, die auch überwiegend im Presskuchen zurückbleiben. Eine Studie konnte zeigen, dass es zwischen dem Polyphenolgehalt und der oxidativen Stabilität einen direkten Zusammenhang gibt. Dort wurde Presskuchen als deutlich stabiler ermittelt als reines Öl oder die geöffnete Ölsaat aufgrund der höheren Konzentration an Polyphenolen.
Lagerung: Presskuchen sollte kühl, dunkel und trocken gelagert werden. Deswegen bekommt man ihn auch meistens in Papiersäcken. Diese sind dunkel und können Feuchtigkeit abbinden. Fühlt den Hersteller eures Vertrauens ruhig mal auf den Zahn, wie der Presskuchen dort gelagert wird. Ihr werdet an der Antwort schnell merken, ob das Thema dort im Fokus ist oder nicht.
Und natürlich seit ihr dann auch in der Pflicht nach dem Kauf die Lagerung zu optimieren. Den Presskuchen oder Futtermittel mit Kuchenanteil sollten zum Beispiel nicht im Sommer im Auto gelagert werden, weil man das Pferd auf der Wiese daraus füttert. Auch für euch gilt: Feuchtigkeit, direkte Lichteinstrahlung und Wärme reduzieren, dann habt ihr auch lange Spaß an eurem Presskuchen.
Also abschließend zu diesem Thema: Ja, Presskuchen kann ranzig werden. Aber nein, das passiert nicht quasi schon beim Pressen. Die Stabilität der Fettsäuren hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Der Hersteller ist mit der Angabe des MHD ja auch verpflichtet die Stabilität seines Produkts bei sachgemäßer Lagerung zu gewährleisten. Dazu kommt, dass bei den meisten der möglichen Prozesse flüchtige Stoffe entstehen, die unangenehm riechen. Die Chance, dass unsere Pferde also ranzigen Presskuchen diskussionslos fressen, ist nicht besonders hoch.
Mythos 3: Hepatotoxizität
Wer seinem Pferd Presskuchen füttert, dem ist bestimmt schon einmal der Hinweis entgegengeschlagen, dass man damit die Leber des Pferdes schädigt.
Wir haben ziemlich lange recherchiert und die Aussage diverse Male gefunden, aber nie eine Begründung dazu warum. In den meisten Fällen wurde da Leinöl und Leinpresskuchen in einem erwähnt und dann auf die Leberschädigung durch Oxidation hingewiesen. Also gehen wir mal davon aus, dass es darum geht. Wenn jemand andere Argumente kennt, gerne her damit.
Meist handelt es sich um die pauschale Aussage, dass die Leber überlastet wird, weil sie die bei der Oxidation entstehenden „Giftstoffe“ abbauen muss. Hört sich erstmal logisch an. Die Abfallprodukte der Oxidation sind Ketogene, Aldehyde und Kohlenwasserstoffe. Alles Produkte, die auch im normalen Stoffwechselgeschehen des Pferdes entstehen. Etwas besonders ist dabei Malonaldehyd, was als krebserregend gilt. Aber auch das finden wir bei oxidativem Stress auch so im Pferdekörper.
Also ja, wenn ihr eurem Pferd täglich ranzigen Presskuchen füttert, dann bekommt die Leber eures Pferdes mehr zu tun. Und das ist nichts, was wir wollen. Bis das ganze aber ein Maß erreicht, dass ihr damit einen Leberschaden bei eurem Pferd anrichtet, müsst ihr schon ganz schön lange den ranzigen Presskuchen in euer Pferd bringen oder entsprechend viel davon füttern. Das ist ausdrücklich keine Empfehlung ranzigen Presskuchen zu füttern. Aber euer Pferd wir nicht umgehend an einem Leberschaden sterben, wenn es euch doch mal passiert.
Sucht euch einen Kuchendealer, dem Qualität und Produktverantwortung wichtig ist. Und ja, das wird vermutlich nicht der günstigste Anbieter sein. Denn Fürsorge kostet Zeit und Geld. Aber wenn ihr das beachtet und eurem Pferd zuhört, falls es ein Futtermittel ablehnt, dann ist die Gefahr ranzigen Presskuchen zu füttern, doch echt gering.
Wir hoffen wir konnten ein bisschen Licht in die mythische Dunkelheit rund um die Presskuchen bringen und ein paar Ängste und Vorurteile nehmen…